Nein, ich bin kein Vegetarier, auch wenn ich inzwischen spürbar weniger Fleisch esse als früher. Das mag auch damit zusammenhängen, dass ich mich in den letzten Jahren viel mehr mit Fleisch beschäftigt habe als in allen Jahrzehnten davor. Niedersachsen ist schließlich Agrarland Nr. 1, die Ernährungswirtschaft ist die zweitwichtigste Branche in unserem Land, darunter auch eine intensive Fleischwirtschaft.

Über diese Branche ist viel diskutiert worden in diesen Jahren, vor allem über die Frage des Tierwohls. In Zeiten einer industriellen Ernährungswirtschaft hat es immer wieder Berichte über Missstände gegeben. Und auch wenn sicher eine Menge geschehen ist, bleibt noch jede Menge zu tun. Derzeit sind wohl fast alle unzufrieden: Die Erzeuger beklagen ein schlechtes Image und fehlende Zukunftsperspektiven, viele Verbraucherinnen und Verbraucher möchten ein einigermaßen gutes Gefühl bei ihrem Einkauf haben.

Deswegen gibt es immer mehr Tierwohl-Labels, mit denen die Qualität dokumentiert werden soll, und die Bundeslandwirtschaftsministerin möchte jetzt noch ein weiteres Label von Amts wegen hinzufügen, gewissermaßen als staatliches Gütesiegel für tierwohlgerechte Produktion. Ist doch prima, sollte man meinen, dann wird dieses Fleisch mehr gekauft und die Verbraucher wissen besser Bescheid. So einfach ist es leider nicht.

Es gibt nämlich gleich mehrere Haken an der Sache. Zum einen gibt es nur eine freiwillige Beteiligung, die große Mehrzahl der Produkte bleibt ohne Bewertung. Dafür sind besonders strenge Maßstäbe vorgesehen und auch wer sich bis jetzt bereits große Mühe mit dem Tierwohl gemacht hat, wird in vielen Fällen nicht darunter fallen. Außerdem geht es nur um den Einzelhandel und die großen Fleischmengen, die in die Gastronomie gehen, bleiben völlig außen vor. Und vor allem: Wer sich auf Seiten der Landwirtschaft besonders anstrengt, wird in den meisten Fällen nichts oder kaum etwas davon haben. Mehr Tierwohl bedeutet nämlich nicht höhere Erzeugerpreise.

Genau das ist aber der springende Punkt, da bin ich mir nach vielen Gesprächen sicher. Viele, sehr viele Landwirte haben sehr wohl verstanden, dass die Gesellschaft sich eine andere Fleischproduktion wünscht. Sie weisen aber auch mit Recht darauf hin, dass sie dafür viel investieren müssen und die billigere Konkurrenz etwa aus Osteuropa dann deutlich im Vorteil ist. Und an dieser Stelle kommen die Verbraucherinnen und Verbraucher ins Spiel, denn die meisten von uns sind eben nach wie vor nicht bereit, mehr Tierwohl ohne weiteres auch an der Kasse zu honorieren.

Deswegen macht ein weiteres Tierwohl-Label nur Sinn, wenn es wirklich einen Schritt nach vorne mit sich bringt: Für alle gültig und mit Anreizen, mehr für das Tierwohl zu tun. Und wir Verbraucher essen dann vielleicht mal etwas weniger Fleisch, das wir uns dann aber auch etwas mehr kosten lassen. Das wäre nach vielen Debatten mal ein echter Fortschritt.

Ich wünsche Euch eine gute Woche.